Operationen an der Wirbelsäule sind eine komplexe und schwierige Angelegenheit. Es gehört viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl eines ganzen Teams an Fachleuten dazu, einen solchen Eingriff zum Erfolg zu machen. Und genau das ist das Ziel des OP Teams; Dir zu helfen. Im SPIEGEL vor einigen Wochen wurde getitelt: ‚Pfusch am Rücken – Das Geschäft mit unnötigen Rückenoperationen …‘
Ich halte diese Beschreibung für extrem reißerisch und falsch. Es gibt nur sehr wenige Chirurgen, die sich denken: ‚Heute werde ich mal wieder bei fünf Leuten ohne medizinischen Grund in einer gefährlichen OP die Wirbel versteifen, weil ich Kohle brauche für eine neue Rolex. (diabolisches Lachen…)‘ Ich bin überzeugt, dass 99,9% aller Mitarbeiter im Gesundheitswesen diesen Beruf ausüben, um den Menschen, die ihre Hilfe brauchen, Gutes zu tun.
Das Problem bei Versteifungs-Operationen am Rücken, ist aber, dass die Besserung, die Patienten sich wünschen, oft ein Wunsch bleibt…
„Wenn alles schief läuft…
… können wir ja immer noch operieren.“
In diesem Satz steckt viel Hoffnung des Patienten UND des Chirurgen auf Besserung. Als Patient hoffst Du auf ein schmerzfreies Leben, wieder wie früher wandern, den geliebten Garten bearbeiten, mit den Enkeln spielen, mit den Kumpels kicken, … Was Deine Chirurgin als optimales Resultat eines Eingriffs ansieht, kann jedoch von Deiner Sichtweise abweichen. Daher ist es wichtig, dass beide Seiten klar kommunizieren, was die Erwartungen sind, bevor es losgeht. Besonders wichtig ist es, darüber zu reden, was nach der Operation passiert. Denn gerade bei Gelenk Operationen entscheiden die Wochen nach dem Eingriff über Deine langfristige Gesundheit.
Hoffnung ist das, was uns am Leben hält. Aber ist die Hoffnung auf eine stark verbesserte Lebensqualität im Falle von Rücken OPs, besonders Versteifungen, gerechtfertigt?
Die Studienlage ist sehr unübersichtlich. In Summe fällt es mir schwer Quellen zu finden, die eine klar positive Bilanz von Versteifungsoperationen ziehen.
Wann macht eine Versteifung Sinn?
Stillstand ist immer problematischer als Bewegung. Um auf die Idee zu kommen, dass weniger Bewegung auch mit weniger Schmerzen verbunden sein soll, muss angenommen werden, dass der Schmerz von zu viel Beweglichkeit ausgelöst wird. Anders gesagt; bevor ich was fest schraube, muss ich erst mal sicher sein, dass es zu locker/instabil ist.
Diese Instabilität ist weder eindeutig definiert, noch liegt sie in den meisten Fällen überhaupt vor. Selbst wenn ein Wirbelsegment laut Röntgenkontrolle instabil ist, kann damit noch nicht belegt werden, dass dies die Ursache für die Schmerzen ist. Dieser Annahme liegt eine veraltete und viel zu einfache mechanische Betrachtungsweise des Körpers zu Grunde. Aber selbst bei einfachen mechanischen Geräten wie einem Fahrrad oder einem Motor, macht es wenig Sinn das locker gewordene Teil einfach festzuschrauben…
Der Effekt einer solchen Versteifungs-OP kann also höchstens sein, dass eine Schädigung des Nervengewebes verhindert oder gemindert wird. Schmerzen mit einem solchen krassen Eingriff zu lindern ist oft nicht möglich.
Es klingt vielleicht etwas harsch, aber das ist so als würde man bei einem Streit in der Familie sagen: ‚Wenn wir uns überhaupt nicht einig werden, können wir ja immer noch aufeinander losgehen und das Problem mit Gewalt lösen.‘ Gelöst ist das Problem dann vielleicht. Aber sicher ist, dass es neue unwiederbringliche Schäden in der Beziehung gibt. Wie bei einer Operation. Egal wie gut es läuft; Du tauschst einen unabsichtlich entstandenen Gewebeschaden in Deinem Körper durch einen absichtlichen und geplanten Gewebeschaden aus. Welcher Zustand Dich wieder in eine bessere Position für die Aktivierung Deiner Selbstheilungskräfte bringt, muss vor jedem Eingriff abgewogen werden.
Fazit
Aus meiner Sicht sollte eine Operation der Wirbelsäule nicht generell als Rettungsanker gesehen werden. Auch wenn es in seltenen Fällen so weit kommen sollte, dass alle konservativen Maßnahmen das Problem nicht eindämmen können, ist die Operation nur ein Schritt auf dem Weg zu Deiner besten Gesundheit.